Waldmetamorphose: Wie ein Nationalpark-Wald zur Wildnis wird

Studie der Österreichischen Bundesforste untersucht Verwandlung vom ursprünglichen Wirtschaftswald zur unberührten Waldwildnis im Nationalpark Kalkalpen

Wien /Purkersdorf (OTS) Zurück zur Wildnis lautet das Credo in den weitläufigen Wäldern des Nationalparks Kalkalpen in Oberösterreich, die sich seit Gründung des Schutzgebietes im Jahr 1997 frei von menschlichen Eingriffen entwickeln dürfen. Dass sich diese Verwandlung vom Wirtschaftswald zur Waldwildnis in raschen Schritten vollzieht, zeigen nun die Ergebnisse einer mehrjährigen Studie, die die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) gemeinsam mit der Nationalparkverwaltung durchgeführt haben. „In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Baumarten-Zusammensetzung in den Wäldern des Nationalparkgebiets massiv verändert – und das wesentlich schneller, als wir eigentlich erwartet hätten“, fasst Rudolf Freidhager, Vorstand der Bundesforste, die rund 90 % der Flächen in das Schutzgebiet einbringen, zusammen. Vier Jahre lang waren ÖBf-Forstexperten für eine umfassende Waldkartierung in teils entlegensten und schwer zugänglichen Gebieten unterwegs. Mehr als 100.000 Baumdaten zu Art, Alter oder Häufigkeit wurden erfasst, dokumentiert und analysiert. Auf Basis alter Waldbewirtschaftungspläne aus Vorzeiten des Nationalparks erstellten die Bundesforste einen forstlichen Vorher-Nachher-Vergleich der Waldgesellschaften. „Durch das detaillierte historische Datenmaterial ist es gelungen, die natürliche Metamorphose zur Wildnis im Nationalpark genau nachzuvollziehen“, freut sich NP-Direktor Volkhard Maier über das gemeinsame Projekt.

Fichte, Lärche, Weiß-Tanne verlieren, Buche gewinnt an Waldterrain

Mit rund 45 Prozent stellt die Fichte den Hauptanteil der Baumarten im Wald-Nationalpark. Seit mehr als 20 Jahren wurde sie nicht mehr aufgeforstet oder ihr Vorkommen im Rahmen von Waldpflegemaßnahmen gefördert. Auch Schadholz aufgrund des Borkenkäfers wurde im Wald be- und den natürlichen Prozessen überlassen. In den letzten Jahrzehnten ging der Fichtenanteil vor allem in Gegenden unter 1.000 Meter Seehöhe um etwa acht Prozent zurück. Auch Lärchen gibt es heute weniger im Nationalpark als früher. Deutlich gestiegen ist hingegen die Anzahl der Rot-Buchen, die sich durch natürliche Vermehrung Waldboden zurückerobert haben. Ihr Anteil hat sich deutlich erhöht und liegt bei 38 % – der kalkreiche Boden sowie ausreichend Niederschlag bieten dafür optimale Bedingungen. „Diese Tendenzen sind eine Entwicklung hin zu natürlichen Verhältnissen“, weiß Freidhager. „In ein paar Jahrzehnten wird die konkurrenzstarke Rot-Buche zu Lasten von Fichte und Lärche noch weiteren Boden gutmachen und die Hauptbaumart im Nationalpark-Wald werden.“ Eine Sonderstellung nimmt die heimische Weiß-Tanne ein, deren Anteil sich von einem ohnehin sehr niedrigen Ausgangsniveau auf 0,7 % halbiert hat. Von Natur aus sollte sie in der Nationalparkregion zumindest 10 Mal so häufig vorkommen. Die Gründe dafür gehen noch auf die großflächigen Kahlhiebe während der Zeit der Holztrift zurück. Waldweide bzw. der Verbiss durch Wildtiere haben ebenso Einfluss auf die Bestände genommen.

100.000 Baumdaten erfasst, Tannen-Baumriesin entdeckt

Vier Jahre untersuchten die Experten der Bundesforste den natürlichen Baumnachwuchs auf jenen Flächen im gesamten Nationalparkgebiet, auf denen Schadereignisse wie Stürme, Lawinen, Schneedruck oder der Borkenkäfer zu massiven Veränderungen des Waldbildes führten. Steilstes und unerschlossenes Gelände sowie wilde Vegetation brachten die Waldkartierer dabei mehrmals an die körperlichen Grenzen. Mit mehr als 100.000 Einzeldaten wurden Art, Häufigkeit und Alter der Bäume bestimmt und analysiert und dann mit historischen Daten der Bundesforste aus den Nationalpark- Gründungsjahren verglichen. Auch seltene Baumarten oder herausragende Baumpersönlichkeiten vermerkten die Experten in den Waldplänen und entdeckten dabei eine besonders eindrucksvolle Baumriesin: „Stolze 54 Meter Höhe sowie 165 Zentimeter Stammdurchmesser weist die stattlichste Weiß-Tanne des gesamten Nationalpark-Gebiets auf“, berichtet Freidhager. Sie zählt damit wohl auch zu den größten Tannenbäumen Österreichs.

Artenreiche Wald-Wildnis im Nationalpark Kalkalpen

Knapp 21.000 Hektar umfasst die Wald-Wildnis des Nationalparks Kalkalpen, die mit rund 30 von Natur aus vorkommenden Baumarten als äußerst artenreich gilt. Neben Fichten, Rot-Buchen oder Lärchen kommen auch Kiefer, Ahorn, Tanne, Esche und vereinzelt Zirbe, Eibe oder Stechpalme vor. Forschungen im Laufe der Jahre zählten darüber hinaus mehr als 1.500 Schmetterlings-, 17 Fledermausarten sowie überdurchschnittliche Specht- und Schnäppervorkommen. Rund 40 % aller Wälder im Nationalpark sind älter als 140 Jahre. Im Wald verbleibendes, abgestorbenes Holz bildet Lebensraum für tausende Insekten- oder Pilzarten. Im Nationalpark-Gebiet sind dies mittlerweile rund 33 Festmeter pro Hektar Wald. Davon profitiert etwa der sehr seltenen Alpenbock-Käfer, der nur im toten Buchenholz überleben kann.

Die Waldkartierung ist ein Gemeinschaftsprojekt der Österreichischen Bundesforste mit der Nationalpark Gesellschaft und erhält Unterstützung von Bund (Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus) und Europäischer Union (LE 14-20).

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