Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 10. März 2020. Von PETER NINDLER. „Im Würgegriff der Krisen“.

Innsbruck (OTS) Corona ist die Lehman-Pleite von heute. Die wirtschaftliche Kettenreaktion lässt sich nicht isolieren, sondern gerät in der globalisierten Welt außer Kontrolle. Die Politik muss wie 2008/2009 mit Konjunkturpaketen gegensteuern – auch in Tirol.

Das Coronavirus macht einmal mehr die vernetzte und globalisierte Gesellschaft schmerzlich sichtbar. Denn die Welt lässt sich nicht auf einer Isolierstation einsperren, die Wirtschaft schon gar nicht. Auch ohne Corona lief der Konjunkturmotor bereits seit Monaten unrund. Jetzt bremst die Wirtschaft abrupt ab, weil die Wertschöpfungskette mit den Quarantänemaßnahmen gegen die Ausbreitung der Krankheit unterbrochen wird. Eine logische Konsequenz, die natürlich die Politik herausfordert. Denn Corona ist heute die Pleite der Investmentbank Lehman von gestern. Zumindest erinnert die aktuelle Situation in Grundzügen an den Auslöser der ab 2008 lang anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise.
Weltweit werden bereits Milliardenpakete geschnürt, der Streit um Ölfördermengen zwischen Saudi-Arabien und Russland beschleunigt allerdings die wirtschaftliche Talfahrt. Und Europa? Mit der Flüchtlingskrise an der türkisch-griechischen Grenze und der Handlungsunfähigkeit der Europäischen Union gesellt sich noch ein weiterer Krisenherd hinzu. Damit steckt auch die Politik im Würgegriff der Krisen – und Tirol mittendrin. So realistisch muss man sein.
Allein die Drehscheibe Tourismus wird zum Gradmesser, er trägt direkt bzw. indirekt rund 24 Prozent zur Bruttowertschöpfung bei. Ausbleibende Gäste ziehen deshalb einen Rattenschwanz an Konsequenzen für die regionalen Unternehmen und Märkte nach sich, dazu kommen noch die exportorientierten Branchen. Wie schon während der Finanzkrise vor zehn Jahren muss sich die Tiroler Politik darauf einstellen, dass einige Betriebe auf Kurzarbeit umstellen werden, um den Mitarbeiterstand zu halten und zugleich den wirtschaftlichen Abschwung abzufedern. Das kostet und das Land wird wohl einen wesentlichen Beitrag leisten. Anders lässt sich der Stopp für Regierungsvorhaben mit finanziellen Auswirkungen nicht interpretieren.
Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) gilt zwar nicht als ausgewiesener Keynesianer, doch er setzt auf staatliche Hilfen, um Produktion und Beschäftigung zu sichern. Vor zehn Jahren hat es funktioniert, mit wenigen Schrammen hat Tirol damals die Krise überstanden. Die Budgetsituation im Land ist zwar wegen der Herausforderungen im Gesundheits- und Pflegebereich angespannt. Doch gerade in Zeiten notwendiger Konjunkturpakete sind solide Finanzen mit einem vergleichsweise leichten Schuldenrucksack ein beruhigender Rückhalt. Weil die Politik notfalls rasch reagieren kann und nicht lange zögern muss.

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