Start der Budgetberatungen im Parlament: Expertenhearing zum Krisenbudget 2021

Corona-Pandemie im Zentrum des kommenden Budgets

Wien (PK) Krisengeprägt zeigt sich der von der Bundesregierung vorgelegte Bundesvoranschlag 2021, dessen Beratungen im Parlament heute mit einem Expertenhearing im Budgetausschuss eröffnet wurden. Geplant werden Einnahmen von 76,4 Mrd. € und Ausgaben von 97,4 Mrd. €. Das nächste Jahr wird laut aktuellem Entwurf demnach ein Defizit von 21 Mrd. € und eine Staatsschuldenquote von 85% bringen. Im Budget wurde vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie der Fokus auf die Rettung von Arbeitsplätzen und Unternehmen gesetzt, es soll aber auch der Standort gesichert werden. Schwerpunkte liegen in den Bereichen Sicherheit, Bundesheer, Bildung, Klimaschutz, Justiz und Mobilität.

Als ExpertInnen geladen waren Christoph Badelt (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung), Martin Gundinger (Austrian Economics Center), Martin Kocher (Institut für Höhere Studien), Monika Köppl-Turyna (Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria) und Markus Marterbauer (Arbeiterkammer Wien). Zu Beginn der Sitzung wurden zwei Abänderungsanträge von ÖVP und Grünen eingebracht, die u.a. den geänderten Anforderungen aufgrund des zweiten Lockdowns Rechnung tragen sollen und über die nächsten Freitagabend bei den Schlussabstimmungen zum Budgetentwurf abgestimmt wird. Weitere Abänderungen können bis zum Ende der Ausschussverhandlungen nächste Woche eingebracht werden.

Badelt: Wirtschaftsaufschwung erst nach Rücknahme der Reisewarnungen

Als wichtigsten Faktor für das prognostizierte negative Wirtschaftswachstum 2020 nennt Badelt den eingebrochenen Tourismus. Die Auswirkungen des partiellen Lockdowns hätten demgegenüber geringere Effekte auf das Wachstum. Anlässlich des neuerlichen Lockdowns wurde vom WIFO eine aktuelle Marktprognose erstellt. Diese basiert auf der Annahme, dass der bestehende Lockdown für sechs – nicht wie bisher beschlossen vier – Wochen gelte, so Badelt, der dies als Sicherheitspuffer nannte. Danach ging das Wirtschaftsforschungsinstitut von einer Rücknahme der Reisebeschränkungen aus. Die Wirtschaft könne erst dann einen langsamen Aufschwung erleben, erklärte Badelt. Mit Wintertourismus aus dem Ausland rechnet er erst wieder ab Jänner 2021. Eine mögliche dritte oder vierte Welle wurde aufgrund zahlreicher Unsicherheiten nicht in das Budget einkalkuliert. Weitere Lockdowns würden erneut die Wachstumsraten senken und die Arbeitslosigkeit erhöhen, umriss Badelt grob deren mögliche Auswirkungen.

Die Gesundheit sei derzeit die wichtigste Determinante für die Entwicklung der Wirtschaft, erklärte Badelt die Besonderheit der Situation. Die Krankheit müsse bekämpft werden, um eine Erholung der Wirtschaft zu ermöglichen. Aus wirtschaftlicher Sicht sei ein früher scharfer Lockdown besser als ein später und langer, unterstrich der Experte mehrfach. Gleichzeitig müsse die Existenz der Unternehmen unterstützt werden und Anreize gesetzt werden, um Entlassungen entgegenzuwirken. Die beschlossene Investitionsprämie wirke rasch, befürwortete Badelt die Maßnahme, da von Unternehmen bereits geplante Investitionen dadurch zeitnah durchgeführt werden könnten.

Das Budget bilde alle bekannten Folgen der Krise ab, so Experte Badelt, der dem Entwurf Mut zu erforderlichen Ausgaben anerkannte. Nicht abgebildet seien hingegen jene fehlenden längerfristigen Reformen, die bereits vor der COVID-Krise bestanden hätten.

Gundinger: Budget basiert auf Hoffnungen, die nicht erfüllt werden

Das vorgelegte Budget basiere auf Hoffnungen, die nicht erfüllt werden, eröffnete Experte Gundinger sein Statement und begründete die Annahme mit einer schlechteren Entwicklung des BIP. Seine Kritik galt dem Versuch, fehlende private Ausgaben durch öffentliche Ausgaben zu ersetzen. Eine politische Einschätzung könne private Entscheidungen nicht richtig abbilden, argumentierte Gundinger und warnte vor einer massiven Insolvenzwelle. Die Eigenkapitalquote der Unternehmen sinke, viele Unternehmen würden nur durch staatliche Hilfen am Leben gehalten, befürchtete der Experte, für den die Berechnungen des WIFO ein Best-Case-Szenario darstellen. Die Warnungen Gundingers betrafen neben den Unternehmen auch den Bankensektor. Negativzinsen hätten die Banken nachhaltig geschädigt, sagte er. Grundsätzlich trat Grundinger für weniger Regulierungen mit Steuerungseffekten ein.

Das Budget lasse offen, wie die Kosten der Krise finanziert werden. Es sei nicht geeignet, den Herausforderungen der nächsten Zeit entgegenzutreten, so die Einschätzung Gundingers. Die Staatsschuldenkrise aus 2008/2010 werde zurückkommen, warnte er.

Kocher: Krisenbudget unter schwierigen Voraussetzungen

Die Konjunktur entwickle sich noch schlechter als erwartet, führte Experte Kocher aus. Obwohl die Kurzarbeit gut angenommen werde, steige die Arbeitslosigkeit. In der Krise spiele der Staat die Rolle des größten Rückversicherers. Kocher teilte Gundingers Auffassung nicht: Die öffentliche Hand müsse eingreifen. Die eingeführten Maßnahmen wirkten, bestätigte Kocher, die Entwicklungen würden ohne diese Maßnahmen schlechter sein. Die Investitionsprämie wirke besser als er erwartet habe, unterstrich der Experte. Es seien aber budgetäre Spielräume für eine dritte oder vierte Welle notwendig. Positiv sah Kocher, dass die Finanzierungskosten für Schulden aufgrund der niedrigen Zinsen gering ausfallen.

Die schwierige fiskalpolitische Situation werde auch nach 2021 bestehen bleiben, sagte Kocher und wies darauf hin, dass die hohen Krisenausgaben Mittel binden, die dadurch nicht in Forschung und Zukunftsinvestitionen gesteckt werden könnten. Mittelfristig werde eine Abgabenstrukturreform sowie ein nachhaltiger Budgetpfad notwendig. Die Steuerlast liege im internationalen Vergleich aber bereits ohnehin hoch, daher hielt er eine weitere Steigerung für nicht sinnvoll.

Köppl-Turyna: Staatsfinanzen langfristig sanieren

Bestehende Maßnahmen hätten sich gut bewährt, analysierte die Expertin Köppl-Turnya, auf langfristige Sicht müssten aber die Staatsfinanzen saniert werden. Empfehlen würde sie eine laufende Evaluierung der Maßnahmen auf deren Treffsicherheit. Um Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, müsse Beschäftigung subventioniert werden, argumentierte sie. Wichtig sei es auch, die Gemeinden zu unterstützten. Falsche Anreize würden hingegen gesetzt, wenn der Bund Gemeindeinvestitionen tätige.

Köppl-Turnya sprach sich für eine Senkung der hohen Abgabenlast aus und nannte Effizienzpotential in den Bereichen Bildung und Öffentliche Verwaltung. Die Eigenkapitalquote der Unternehmen gehöre gestärkt und bürokratische Hürden reduziert, sagte sie. Laut Köppl-Turnya wird es notwendig werden, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen.

Marterbauer: Arbeitslosigkeit und Armut sind die gravierendsten Probleme

Arbeitslosigkeit und Armut stellen für Markus Marterbauer die gravierendsten Probleme im Zuge der Corona-Krise dar. Die von der Regierung gesetzte breite Palette an Maßnahmen zur Gegensteuerung sind für ihn zu wenig umfangreich und auch zu wenig zielgerichtet. Sie seien auch zu spät gekommen, sagte er, daher stehe Österreich wirtschaftlich auch schlechter da als Deutschland. Positiv sieht der Wirtschaftsexperte die Kurzarbeit und die Qualifizierungsmaßnahmen, wobei ihm zufolge bei letzteren auch viel wertvolle Zeit vergeudet worden sei. Als besonders besorgniserregend bewertet Marterbauer die hohe Jugendarbeitslosigkeit – hier hält er rund 1000 zusätzliche Lehrstellen für nötig – und die hohe Zahl an Langzeitarbeitslosen, von denen rund 70% armutsgefährdet seien.

Marterbauer fasste seine Forderungen in fünf Bereichen zusammen: Man brauche auch weiterhin ein Investitions- und Beschäftigungsprogramm, sagte er. Dazu gehöre eine offensive Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik, eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose und eine zielgerichtete Förderung von Schulen mit besonderen Herausforderungen. Weiters hält er den Ausbau der Kinderbetreuung und Ganztagsschulen für genauso erforderlich wie den Ausbau der mobilen und stationären Pflege und die Aufstockung der psychosozialen Dienste. Der dritte Punkt betrifft den ökologischen Wandel, wo Marterbauer seitens der Regierung Konkretes vermisst. Die Kommunalmilliarde ist seiner Einschätzung nach zu gering, Städte und Gemeinden sollten eine weitere Milliarde für Investitionen etwa in ökologische Projekte und Digitalisierung erhalten. Schließlich fordert er eindringlich eine offensive Armutsbekämpfung mit einer Kindergrundsicherung und einer Anhebung des Arbeitslosengeldes.

Grundsätzlich sprach sich Marterbauer zudem für eine Reform der Fiskalregeln aus und sieht derzeit aufgrund der niedrigen Zinsen keine Gefahr für die Nachhaltigkeit der heimischen Staatsfinanzen. Eine Senkung der Abgabenquote hält er nicht für sinnvoll, eine Strukturreform der Abgaben hin zu einer Ökologisierung wäre für ihn der richtige Schritt. Marterbauer trat zudem für die Schließung von „gewaltigen“ Steuerlöchern sowie für progressive Steuern auf Vermögen und eine Erbschaftssteuer ein. Vordringlich ist für ihn auch die Sicherung des Gesundheitssystems.

Mit dem Bundesvoranschlag mitverhandelt wird auch der Bundesfinanzrahmen 2021 bis 2024. (Schluss Expertenhearing Budgetausschuss) gro/jan

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.


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