Wien (OTS) – Sehr geehrte Damen und Herren,
Anbei die Presseunterlagen von der heutigen Pressekonferenz des Bündnisses.
Die dabei anwesenden 11 Personen vertreten insgesamt rund 1000 Organisationen sowie Einzelpersonen.
Es wird ersucht das Bündnis durch Ihre Berichterstattung im Bereich des Kinderschutzes zu unterstützen.
Österreichische Kinder- und Jugendanwaltschaften
Gleiche Rechte und effektiver Schutz für alle Kinder in Österreich, sind zentrale As-pekte der UN-Kinderrechtskonvention. Seit Jahren bemühen sich daher die Kinder- und JugendanwältInnen der Bundesländer gemeinsam mit vielen anderen ExpertIn-nen, dass alle Kinder in ganz Österreich die gleichen Leistungen im Bereich der Kin-der- und Jugendhilfe erhalten (Stichwort „Harmonisierung“).
Schon derzeit gibt es enorme qualitative Unterschiede in den neun Bundesländern, und zwar sowohl bei den Hilfen zur Erziehung als auch bei der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen. Sollten nun die bundesweit gesetzlich geregelten Min-destvorgaben fallen und in die alleinige Zuständigkeit der Länder gelegt werden, ist zu befürchten, dass sich auf Grund unterschiedlicher finanzieller und personeller Ressourcen die Unterstützungsleistungen für Kinder und Jugendliche noch mehr un-terscheiden und sowohl massive Abstriche im Bereich des Kinderschutzes als auch Rechtsunsicherheit die Folge sind. Das jahrelange Ringen um eine Vereinheitlichung des Jugendschutzes zeigt deutlich, wie schwierig es ist, dass sich neun Bundeslän-der auf einheitliche Bestimmungen einigen!
Aus dieser gemeinsamer Sorge hat sich ein breites Bündnis von ExpertInnen aus den unterschiedlichsten Bereichen gegründet, um gegen eine Ungleichbehandlung von Kindern und Jugendlichen und für einen besseren Kinderschutz im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe einzutreten.
Kinderschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit –
die Verantwortung dafür liegt beim Bund, Ländern und Gemeinden.
Der Bund kann sich aus dieser Verantwortung nicht verabschieden!
DSAin Monika Pinterits, Kinder- und Jugendanwältin Wien
Dr.in Andrea Holz-Dahrenstaedt, Kinder- und Jugendanwältin Salzburg
Kontakt:
Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreich
Wien: Alserbachstraße 18, 1090 Wien
Tel: +43 1 70 77 000, E-Mail: post@jugendanwalt.wien.gv.at
Salzburg: Gstättengasse 10, 5020 Salzburg
Tel: +43(0)662-430 550, E-Mail: kija@salzburg.gv.at
www.kija.at
Kommission der Volksanwaltschaft – Wien
Die Kommissionen der Volksanwaltschaft werden in zahlreichen Zusammenhängen mit den Konsequenzen unzureichender oder unklarer Standards in der Kinder- und Jugendhilfe konfrontiert.
Aufgabe der Kommissionen ist es, die Einhaltung von Menschenrechten – konkret von Kinderrechten – zu überprüfen. Dies betrifft vor allem die Standards sozialpäda-gogischer Betreuung, denen sozialarbeiterische Interventionen in Familiensystemen vorgelagert sind. Die Gefahr, dass durch die geplante „Verländerung“ diese Stan-dards an der jeweiligen Budgetsituation des Landes und nicht an den Rechten der Kinder orientiert werden, ist groß.
Eine derart weitreichende Entscheidung ist unbedingt einer fachlichen Diskussion – beispielsweise im Rahmen einer Parlamentsenquete – zu unterziehen.
Univ. Prof. Dr. med. Ernst Berger, Kommissionsleiter, Kinder- und Jugendpsychiater
Kontakt:
Kommission 4 der Volksanwaltschaft
Tel: +43 664 7835042, E-Mail: ernst.berger@meduniwien.ac.at
http://volksanwaltschaft.gv.at/praeventive-menschenrechtskontrolle
RIV – Fachgruppe Ausserstreit und Familienrecht
Als Familienrichter, die bundesweit einheitliche Rechtsvorschriften anwenden, sehen wir insbesondere bei Kindesabnahmen schon jetzt große regionale Unterschiede: Die Interpretation des Begriffs „Gefahr in Verzug“ in § 211 ABGB (bezogen auf die Her-ausnahme von Kindern aus der Familie) erfolgt länderweise unterschiedlich; auch die Frage, ob eine Obsorge des KJHT möglich ist, wenn Kinder noch im Haushalt der Eltern leben, wird regional unterschiedlich beantwortet. Wie viele Stunden im
Rahmen einer Familienintensivbetreuung in einem Bundesland maximal geleistet werden, ist ebenfalls unterschiedlich …
Langfristig ist zu befürchten, dass Familien, die viel Unterstützung möchten, in Bun-desländer mit großem Betreuungsangebot übersiedeln und Familien, die möglichst wenig Kontrolle haben möchten, in andere Bundesländern ziehen, wo wenig Kontrolle besteht bzw. Kindern, abhängig davon in welchem Bundesland sie leben, gewisse Betreuungs- und Fördermöglichkeit nicht ermöglicht werden können. Die geplante Abschaffung der Bundesgrundsatzgesetzgebung in der Kinder- und Jugendhilfe
geht daher in die falsche Richtung!
Mag.a Doris Täubel-Weinreich, Richterin
Kontakt:
E-Mail: Doris.Taeubel-Weinreich@justiz.gv.at
Dachverband österreichischer Jugendhilfeeinrichtungen
Kompetenzverweigerung des Bundes beim Schutz von Kindern:
Nach den erschütternden Kindestötungen von Luka und Cain war der Bund rasch bemüht, durch ein neues Jugendhilfe-Gesetz die damals vorhandenen Lücken zum Schutz der Kinder auszubessern.
Dieses Gesetz muss nach nur fünf Jahren sterben, weil der Bund für die Maßnahmen und Standards im Kinderschutz keine Verantwortung mehr übernehmen will. Dies, ohne die Ergebnisse der Evaluation des Gesetzes abzuwarten. Es ist zu befürchten, dass unverantwortliche Eltern nun in einer Art „Jugendhilfe-Tourismus“ in jene Bundesländer übersiedeln, die geringere Standards für den Kinderschutz haben.
So gut wie alle leitenden MitarbeiterInnen der Jugendhilfe in den Ländern und Städ-ten warnen vor der „Verländerung“ des Kinderschutzes – sie unterliegen aber der rigorosen „message control“ der Regierung.
Dr. Hubert Löffler, Geschäftsführer
Kontakt:
Dachverband Österreichischer Kinder & Jugendhilfeeinrichtungen
Tel: +43 664 3586135, E-Mail: loeffler.hubert@outlook.com
Österreichische Kinderschutzzentren
Kinder, Jugendliche und deren Familien haben das Recht, unabhängig davon in wel-chem Bundesland sie aufwachsen vergleichbare Unterstützungsangebote und Vor-gehensweisen vorzufinden, um ihr Wohl und ihren Schutz zu sichern. Und das unbe-dingt auf Basis einheitlicher Standards!
Was für den Jugendschutz recht und billig ist, muss für den Kinderschutz teuer sein – dieser gehört in die Hände des Bundes. Daher appellieren die Österreichischen Kinderschutzzentren an die Regierung, die Rahmengesetzgebung und damit auch Qualitätssicherung für die Kinder- und Jugendhilfe in der Zuständigkeit des Bundes nicht nur zu belassen, sondern sie deutlich auszubauen.
Martina Wolf, Geschäftsführerin des Bundesverbandes
Kontakt:
DIE ÖSTERREICHISCHEN KINDERSCHUTZZENTREN
Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren
Stutterheimstraße 16-18/2/3/20b, 1150 Wien
Tel: +43 660 181 78 41, E-Mail: martina.wolf@oe-kinderschutzzentren.at
www.oe-kinderschutzzentren.at
Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit
Die Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit (Kinderliga) erachtet eine Kompetenzbereinigung zwischen Bund und Länder in vielen Bereichen als durchaus sinnvoll, spricht sich jedoch klar dafür aus, dass es gerade im sensiblen Kinder- und Jugendhilfe-Bereich zu keinen Verschlechterungen kommen darf. In der Verlagerung der Kompetenzen zu den Ländern sieht die Kinderliga die Gefahr einer Nivellierung nach unten. Die überfallsartig geplante Kompetenzabgabe in diesem Bereich an die Länder entspricht einer „Kindesweglegung ersten Ranges“ und kommt einer Freigabe der Standards in der Kinder- und Jugendhilfe und im Kinderschutz gleich. Die Kinder-liga fordert die Bundesregierung auf, die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu stärken und in Präventionsmaßnahmen zu investieren, statt sich aus der Verantwor-tung für die Kinder und Jugendhilfe zu verabschieden und appelliert an Bundesminis-ter Josef Moser, die geplante Kompetenzabgabe an die Länder zu überdenken und unbedingt von ExpertInnen erarbeitete einheitliche Mindeststandards vorzugeben. Es darf nicht sein, dass es wieder einmal Kinder und Jugendliche trifft, und damit die Schwächsten unserer Gesellschaft, deren Stimme nicht gehört wird, obwohl sie un-sere Zukunft sind und in ihnen das Potential unseres Landes liegt.“
Mag.a Caroline Culen, Fachliche Geschäftsführung
Kontakt:
ÖSTERREICHISCHE LIGA FÜR KINDER- UND JUGENDGESUNDHEIT
Stutterheimstraße 16-18/2/3/20c, 1150 Wien
Tel: +43 681 108 06 202, E-Mail: culen@kinderjugendgesundheit.at
www.kinderjugendgesundheit.at
Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit
Der Berufsverband der Sozialen Arbeit spricht für Sozialarbeiter*innen und Sozialpä-dagog*innen und fordert:
1. Bundeseinheitliche Qualitätskriterien in Ausbildung und Fortbildung des Personals, in Betreuungsstandards und bei Kontrollmaßnahmen
2. Verpflichtendes „Vier-Augenprinzip“ bei der Feststellung der Gefährdung von Kindern bundesweit
3. Einheitliche Standards bei der Informationsweitergabe (amtliches Schnittstellenmanagement)und bei interdisziplinären fachlichen Kooperation
4. Uneingeschränkte Berücksichtigung aller Teile der UN Konvention über die Rechte des Kindes: Sicherstellung von gesundheitlichen Maßnahmen, therapeutischen Hilfen und Ausbildungsunterstützung
DSA Mag. Alois Pölzl, Bundesvorsitzender
Kontakt:
Österreichischer Berufsverband der Sozialen Arbeit – obds
Mariahilferstraße 81 1/3/14, A – 1060 Wien
Telefon: +43 676 4288866, E-Mail: poelzl@obds.at
Netzwerk Kinderrechte (NC)
Kinder haben gemäß der UN-Kinderrechtskonvention ein Recht auf Schutz vor Ge-walt und auf besondere staatliche Fürsorge, wenn sie nicht im familiären Umfeld le-ben können. Österreich hat sich verpflichtet diese Kinderrechte zu gewährleisten und zwar für alle Kinder und Jugendliche, von Vorarlberg bis Burgenland. Schon bisher, trotz der Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes, gibt es in den Bundes-ländern enorme Unterschiede in der Gewährung und Qualität von Kinderhilfsleistun-gen. So werden beispielsweise je 1000 Minderjährige in Oberösterreich sechs Kinder fremduntergebracht und in Kärnten 11. Die Gruppengrößen, die Betreuungsschlüssel und die Anforderungen an die Fachkräfte variieren massiv. Das Netzwerk Kinder-rechte Österreich hat dies in allen drei bisher erstellten Alternativen Berichten (1998, 2004 und 2011) an den UN-Kinderrechtsausschuss kritisch festgestellt. Österreich wurde deswegen auch wiederholt vom Ausschuss gerügt. Die nächste Staatenprü-fung steht 2019 bevor.
Herr Bundeskanzler Kurz möge sein Versprechen, sich für die weitere Stärkung der Rechte von Kindern einzusetzen, genau jetzt einlösen! Kinderrechte sind keine Worthülse, hier geht es um konkrete staatliche Verpflichtungen. Das jetzige Geset-zesvorhaben, neun unterschiedliche Kinder- und Jugendhilfesysteme zu schaffen, lässt eine weitere Ungleichbehandlung sowie eine Verschlechterung im Kinderschutz befürchten. Es öffnet somit die Tür für neuerliche Kinderrechtsverletzungen.
Mag.a Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez, Sprecherin der NC (Zusammen-schluss von 43 Kinderrechtsorganisationen)
Kontakt:
Netzwerk Kinderrechte Österreich – National Coalition zur Umsetzung der
UN-Kinderrechtskonvention in Österreich
Vivenotgasse 3, 1120 Wien
Tel: +43 1 3683135 49, E-Mail: elisabeth.schaffelhofer@kinderhabenrechte.at
www.kinderhabenrechte.at
Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte, Wien
Die geplanten verfassungsrechtlichen Kompetenzverschiebungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sind weder von der Vorgangsweise noch vom Inhalt her mit internationalen und nationalen kinderrechtlichen Standards vereinbar. Art 1 Bundes-verfassungsgesetz Kinderrechte 2011 normiert den Kindeswohlvorrang „bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen“, das schließt die Gesetzgebung und eine Vorab-prüfung geplanter Maßnahmen mit ein. In den Materialien zum Entwurf findet sich aber weder eine spezifische Argumentation für die Kompetenzverschiebung im Be-reich der Kinder- und Jugendhilfe noch eine qualitative Folgenabschätzung.
Auf der inhaltlichen Seite verlangen kinderrechtliche Verpflichtungen klare, einheitli-che Standards für Leistungen, Personal und Qualitätssicherung in der Kinder- und Jugendhilfe, die für alle Kinder in Österreich ohne Diskriminierungen gelten, un-abhängig davon, in welchem Bundesland sie sich aufhalten – die Erfüllung dieses Auftrags wäre durch die Kompetenzverschiebung nicht mehr gewährleistet. Unser Institut ruft dringend zur Zurücknahme des geplanten Entwurfs für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und zu einer breiten, sachlichen Diskussion über Reformbe-darf auf!“
Dr. Helmut Sax, Key researcher
Kontakt:
Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM), Wien
Freyung 6/2, 1010 Vienna
Tel: +43-1-4277-27424, E-Mail: helmut.sax@univie.ac.at
http://bim.lbg.ac.at
Kinderrechte Board
Das Kinderrechte-Board beim Bundeskanzleramt / Frauen, Familie, Jugend hat in seiner Sitzung am 15.6.2018 mit großem Erstaunen und Bestürzung den vorgelegten Entwurf zu einer Änderung der gesetzlichen Grundlagen im Bereich der Kin-der/Jugendhilfe (Streichung der Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes, vollständige Übertragung der legistischen Kompetenz an die Bundesländer) zur Kenntnis genommen. Da das derzeitige Bundes-Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz (B-KJH-G 2013) nach Ansicht des Boards eine solide Grundlage für den Erhalt öster-reichweiter Standards im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe darstellt und überdies derzeit eine Evaluierung dieses Gesetzes vorgenommen wird, deren Ergebnisse für Herbst 2018 zu erwarten sind, wird die derzeit geplante Änderung abgelehnt. Das Kinderrechte-Board hält in diesem hoch-sensiblen Bereich eine übereilte Kompe-tenzänderung für sehr problematisch und empfiehlt eindringlichst vor einer Be-schlussfassung eine Diskussion in den einschlägigen Fachgremien sowie die Durch-führung einer Experten-Enquete unter Einbeziehung der Evaluationsergebnisse zum B-KJHG 2013.
Beschluss des Kinderrechte Board, interdisziplinäres Expertengremium in Sachen „Kinderrechte“, http://www.kinderrechte.gv.at/kinderrechte-monitoring/
Rückfragen & Kontakt:
Kinder- & Jugendanwaltschaft Wien
DSAin Monika Pinterits
(+43-1) 70 77 000
post@jugendanwalt.wien.gv.at
Kinder- & Jugendanwaltschaft Salzburg
Dr. in Andrea Holz-Dahrenstaedt
+43(0)662-430 550
kija@salzburg.gv.at
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