Österreichisches Arbeitszeitgesetz verstößt gegen EU-Regeln zu Höchstarbeitszeit

AK Direktor Klein: „Es droht ein EU-Vertragsverletzungsverfahren“

Wien (OTS) Die Arbeiterkammer macht darauf aufmerksam, dass die grundlegende Schutznorm der EU-Arbeitszeitrichtlinie – die Begrenzung der Wochenarbeitszeit mit 48 Stunden im Durchschnitt von 17 Wochen – im österreichischen Arbeitszeitrecht nicht korrekt umgesetzt ist. Einem kürzlich gefällten, bisher wenig beachteten Urteil des Europäischen Gerichtshofs zufolge muss der 48 Stunden-Schnitt nämlich in jedem Zeitraum von 17 aufeinander folgenden Wochen eingehalten werden. Im Gegensatz zu dieser vom EuGH vorgeschriebenen „rollierenden“ Betrachtung geht das österreichische Arbeitszeitgesetz jedoch von starr festgelegten Durchrechnungszeiträumen aus. Klein:
„Seit das 12 Stundentag-Gesetz die erlaubte Wochenarbeitszeit samt Überstunden auch im Normalfall von 50 auf 60 Stunden angehoben hat, ist der 48 Stunden-Durchschnitt eine wichtige Schutznorm für die Arbeitnehmer geworden. Das österreichische System starrer Durchrechnungszeiträume ermöglicht jedoch, dass legal über lange Zeit hinweg – durchaus auch länger als 17 Wochen – Arbeitnehmer Spitzenbelastungen von bis zu 60 Wochenstunden ausgesetzt werden. Das ist unzumutbar. Das Parlament ist dringend aufgerufen, wenigstens den europäischen Mindeststandard einzuführen, der von Irland bis Bulgarien zu gelten hat.“

AK Direktor Christoph Klein bezieht sich hierbei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. April 2019. Darin macht der EuGH aufmerksam, dass beim System starrer Bezugszeiträume das Aufeinandertreffen von zwei Zeiträumen dazu führen kann, dass zwar in beiden der 48 Stunden-Schnitt für sich genommen eingehalten wird, aber wegen der Möglichkeit ungleichmäßiger Verteilung innerhalb des einzelnen starren Bezugszeitraums über die Grenze der beiden Zeiträume hinweg ein europarechtswidriger Zeitraum vorliegt, in dem der erlaubte Schnitt überschritten wird.

Ein Beispiel, wie es in der Sommer- und Schanigarten-Saison in Gastronomie und Tourismus leicht vorkommen kann: Eine Saisonkraft wird ab April bis Oktober erst Teilzeit für 20 Wochenstunden und dann Vollzeit für 40 Stunden in der Woche eingestellt.

Die Arbeitskraft arbeitet von 1. bis 28.4. vier Wochen lang Teilzeit wie vereinbart 20 Stunden in der Woche.

Ab Mai geht das Geschäft so richtig los und es fallen jede Woche Überstunden an:
29.4.-5.5. 59 Wochenstunden
6.5.-12.5. 50 Wochenstunden
13.5.-19.5. 49 Wochenstunden
20.5.-26.5. 45 Wochenstunden
27.5.-2.6. 53 Wochenstunden
3.6.-9.6. 50 Wochenstunden
10.6.-16.6. 50 Wochenstunden
17.6.-23.6. 50 Wochenstunden
24.6.-30.6. 50 Wochenstunden
1.7.-7.7. 59 Wochenstunden
8.7.-14.7.50 Wochenstunden
15.7.-21.7. 55 Wochenstunden
22.7.-28.7. 60 Wochenstunden

Der erste, starre Durchrechnungszeitraum über 17 Wochen endet hier. Im Durchschnitt wurden 45 Stunden pro Woche gearbeitet, also weniger als 48 Wochenstunden. Dem österreichischen 12-Stunden-Tag-Gesetz wird damit Genüge getan.

29.7.-4.8. 60 Wochenstunden
5.8.-11.8. 55 Wochenstunden
12.8.-18.8. 55 Wochenstunden
19.8.-25.8. 53 Wochenstunden

17 Wochen ab Beginn der Arbeitsspitze wird die Höchstarbeitszeit mit durchschnittlich 53 Stunden pro Woche klar überschritten. Hier wird EU-Recht verletzt!

Im September flaut das Geschäft langsam ab, die Saisonkraft arbeitet von 26.8. bis 29.9. fünf Wochen lang 40 Stunden, von 30.9. bis zum Ende des zweiten, starren Durchrechnungszeitraums am 27.10. vier Wochen lang durchschnittlich 20 Wochenstunden. Die durchschnittliche Arbeitszeit liegt damit bei 34 Stunden pro Woche.

In diesem Beispiel verhält sich der Arbeitgeber nach dem österreichischen Wortlaut des Gesetzes völlig legal, dennoch wird europäischer Mindeststandard, wie er von Irland bis Bulgarien gilt, nicht eingehalten. AK Direktor Klein: „Erst vor wenigen Tagen sind wieder Berichte über ausufernde Arbeitszeiten im Tourismus durch die Medien gegangen. Das zeigt, wie wichtig es wäre, wenigstens den europäischen Mindestschutz zu gewährleisten, wenn schon die 60 Stunden-Woche zum jederzeit erlaubten Normalfall gemacht wurde.“

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Arbeiterkammer Wien
Katharina Nagele
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http://wien.arbeiterkammer.at

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