Nationalrat: SPÖ kritisiert Krisenmanagement der Regierung und schlägt Konjunkturbelebungspaket vor

Rege Debatte im Rahmen der Aktuellen Stunde über Effizienz der Corona-Maßnahmen und Zurufe an die Justiz

Wien (PK) Mit einer Abrechnung des Corona-Krisenmanagements der Regierung durch die Oppositionsparteien startete heute der Nationalrat seine Beratungen. Die SPÖ wählte als Titel für die Aktuelle Stunde „Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Insolvenzwelle, statt Kampf gegen die österreichische Justiz, Herr Bundeskanzler! Tun Sie es für Österreich.“ und schlug zugleich ein umfassendes Konjunkturbelebungspaket vor. Dass Österreich einen so starken Wirtschafseinbruch erlebe und dass die Arbeitslosenrate so hoch sei,

müsste nicht sein und darf auch nicht so sein, beklagte SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. Der Bundeskanzler sollte entschlossen gegen die Arbeitslosigkeit und gegen die Pleitewelle vorgehen, aber nicht gegen die heimische Justiz.

Kurz zeigte sich von der Kritik der Opposition wenig beeindruckt und sparte in seiner Rede nicht mit Superlativen. Österreich sei weltweit Nummer 1, was die Hilfen für die Wirtschaft betreffe und mittlerweile auch führend bei der Anzahl an durchgeführten Corona-Testungen. Es werde zwar noch ein enormer Kraftakt notwendig sein, um sich aus dieser Krise wieder zurück zu kämpfen, aber „je stärker wir testen, desto eher werden Öffnungsschritte gesetzt werden können“. Auch Arbeitsminister Martin Kocher verwies auf das von der Regierung geschnürte Maßnahmenbündel, das sehr gut funktioniere und kündigte noch weitere Job- und Qualifizierungsoffensiven an.

Rendi-Wagner tritt für großes Konjunkturbelebungspaket und Aktion 40.000 für Langzeitarbeitslose ein

Die Corona-Pandemie habe nicht nur gravierende gesundheitliche Auswirkungen, sondern auch ganz viele soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen, gab SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner zu bedenken. Österreich weise etwa mit einem Minus von 8% bei der Wirtschaftsleistung einen der stärksten Einbrüche in ganz Europa auf; auch die Arbeitslosigkeit sei doppelt so stark gestiegen wie in Deutschland. Ein Grund dafür sei, dass die ersten Hilfen nicht nur zu gering ausfielen, sondern auch zu spät kamen und zu bürokratisch abgewickelt wurden. In der Folge haben gleich im März 2020 über 200.000 Menschen ihren Job verloren, rief Rendi-Wagner in Erinnerung. Auch danach sei es nicht viel besser geworden, da viele Unternehmen seit November auf ihre Unterstützungen warten würden. Obwohl 50 Mrd. € für die Wirtschaft bereit gestellt wurden, heiße dies noch lange nicht, dass die Gelder dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Es handle sich dabei um die größte Summe, die je ein österreichischer Finanzminister freihändig vergeben hat, hob die SPÖ-Klubobfrau hervor, und niemand dürfe genau wissen wofür. Außerdem habe Blümel, der derzeit mit anderen Dingen sehr beschäftigt sei, noch immer keinen Plan auf den Tisch gelegt, wie Österreich die 3 Mrd. € aus dem EU-Wiederaufbaufonds abholen will.

Die SPÖ sei immer ein konstruktiver Partner, wenn es darum gehe, Österreich aus der Krise zu helfen, betonte Rendi-Wagner, die dabei auf das von ihrer Partei vorgelegte Konjunkturbelebungspaket hinwies, das von einer freiwilligen, geförderten Vier-Tage-Woche, der Erhöhung des Arbeitslosengelds bis hin zu einer Pflegearbeitsstiftung reiche. Erfreulich sei, dass ein wichtiger Punkt, nämlich die Aussetzung der Erhöhung der Richtwertmieten, von der Regierung nun aufgegriffen wurde. Da die öffentliche Hand im besonderen Maße gefordert sei, wenn es um langzeitarbeitslose Menschen geht, schlug sie eine Joboffensive für diese Personengruppe vor, um 40.000 Personen wieder in Beschäftigung zu bringen.

Kurz: Umfassende Teststrategie und Qualifizierungsoffensive als Mittel zur Bewältigung der Krise  

Seit Anbeginn der Pandemie war es das oberste Ziel der Regierung, Österreich so gut wie möglich durch die Krise zu führen, unterstrich Bundeskanzler Sebastian Kurz. Er räumte dabei ein, dass die ökonomischen Herausforderungen enorm seien, wobei Österreich aufgrund seiner starken Tourismuswirtschaft besonders betroffen sei. Damit verbunden seien auch der Gastronomie- und Beherbergungssektor, die ebenfalls einen ganz wesentlichen Beitrag zur Wertschöpfung leisten. Dementsprechend stark seien aber auch die Hilfen ausgefallen, war Kurz überzeugt, denn Österreich sei weltweit Nummer 1, wenn es um Unterstützungen für Unternehmen und Beschäftigung gehe. Da in den letzten Jahren gut gewirtschaftet wurde, könne sich Österreich das auch leisten. Insgesamt wurden über 32 Mrd. € an Hilfsgeldern ausgeschüttet, wobei insbesondere Klein- und Mittelbetriebe im Fokus standen. Alleine 6 Mrd. € habe man zudem in die Kurzarbeit investiert und somit über eine Million Menschen in Beschäftigung gehalten. Darüber hinaus bringe die Regierung gerade die größte Qualifizierungsmaßnahme auf den Weg, hob der Kanzler hervor.

Vor knapp drei Wochen habe man früher als andere Staaten mutige Öffnungsschritte gemacht, die aber von strengen Sicherheitsvorkehrungen begleitet werden. Vor allem durch die umfassende Teststrategie in Österreich habe man eine Chance, um zur Normalität zurückzukehren, war Kurz überzeugt. Er sei froh darüber, dass mittlerweile auch die VertreterInnen des Tourismus und der Gastronomie die Bereitschaft bekundet haben, auf intensive Testungen zu setzen. All dies stehe unter dem Motto „so viel Freiheit wie möglich und so viel Einschränkung wie notwendig“.

Kocher: Österreich soll besser aus der Krise zurückkommen

Bundesminister Martin Kocher wies ebenfalls auf die spezifische Struktur der österreichischen Wirtschaft hin, die sich durch einen hohen Anteil an Tourismus- und Freizeitwirtschaft sowie Gastronomie auszeichne. Diese besonderen Stärken, die in der Krise nachteilige Effekte zeitigten, würden durch ein entsprechendes Maßnahmenbündel abgefedert. Als Beispiel führte er das sehr gut funktionierende Kurzarbeitsmodell an, das das wichtigste und teuerste Einzelinstrument in der Krisenbekämpfung darstelle. Weitere wichtige Eckpfeiler seien die Joboffensive, der Bildungsbonus, der Neustartbonus, Beschäftigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose in Schulen oder Gemeinden oder die Anhebung der Notstandshilfe. Klar sei, dass es noch zusätzliche Maßnahmen brauchen werde, um Österreich nach der Krise nach vorne zu bringen. Generell werden jene Länder besser durch die Pandemie kommen, in denen sich die gesellschaftlichen Gruppen nicht auseinander dividieren lassen, zeigte er sich überzeugt.

ÖVP: Bestmögliche Unterstützung für die Betriebe und Zukunftsperspektiven für die Beschäftigten

Rückendeckung für die Maßnahmen der Regierung kam von den ÖVP-Mandataren. So unterstützte Abgeordneter Andreas Ottenschläger (ÖVP) etwa ausdrücklich die in Europa fast einmalige Testkampagne, weil nur dadurch vorsichtige Öffnungsschritte für die Wirtschaft und somit der Erhalt der Arbeitsplätze gewährleistet werden können. Auch bei den Wirtschaftshilfen liege Österreich im europäischen Spitzenfeld. Kritisch beurteilte Ottenschläger den von der SPÖ gewählten Titel für die Aktuelle Stunde. Der Bundeskanzler „führe keinen Kampf gegen die Justiz, sondern für Aufklärung und Gerechtigkeit“, unterstrich er mit Nachdruck. Ebenso wie sein Fraktionskollege Christoph Zarits erinnerte er noch einmal an die zahlreichen Hilfsmaßnahmen für die Betriebe, wie z.B. die Kurzarbeit, den Fixkostenzuschuss, den Umsatzersatz, den Härtefallfonds, sowie für die ArbeitnehmerInnen. Überdies wurden zahlreiche Schritte gesetzt, um vor allem den Familien, die sich oft in schwierigen Situationen befinden, rasch und unbürokratisch zu helfen.

Grüne setzen auf Nachhaltigkeit, Ökologie und spezifische Maßnahmen für Langzeitarbeitslose

Auch von Seiten der Grünen wurden die Aktivitäten der Regierung in Sachen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Insolvenzen

als erfolgreich beurteilt. Abgeordnete Elisabeth Götze (Grüne) hob dabei insbesondere das erfolgreiche Kurzarbeitsmodell sowie die Hilfen für die Betriebe und die Stundungsmöglichkeiten von diversen Abgaben hervor. Beim Weg aus der Krise setze man auf mehr Nachhaltigkeit und Ökologie, was von den Betrieben auch mitgetragen werde. Dies zeige etwa die große Nachfrage nach dem Investitionsbonus. Rückenwind gebe es dafür auch von der EU, die einen Wiederaufbaufonds für ihre Mitgliedstaaten zur Verfügung stellt. Statt polemische Kommentare abzugeben, sollte besser über konkrete Vorschläge diskutiert werden, plädierte Markus Koza von den Grünen. Die Regierung habe ein sehr großes Jobpaket geschnürt, das insbesondere auf Bildung, Qualifizierung und berufliche Umorientierung setze, wobei insbesondere die Zukunftsbereiche Pflege, Ökologie und Digitalisierung im Fokus stehen. Richtig sei, dass es für Langzeitarbeitslose spezifische Maßnahmen brauche. Die von der SPÖ vorgeschlagene Aktion 40.000 sei aus seiner Sicht aber zu hoch angesetzt und zu wenig auf die Zielgruppe zugeschnitten, urteilte er.

SPÖ wirft Regierung Versagen beim Corona-Management vor

Josef Muchitsch (SPÖ) zeigte sich enttäuscht von der Stellungnahme des Bundeskanzlers, der einmal mehr lediglich die verschiedenen Hilfen für die Wirtschaft aufgezählt habe. Dies helfe aber den mittlerweile mehr als eine Million Menschen nichts, die seit Monaten über deutlich weniger Einkommen verfügen. Wenn nicht endlich ein konkreter Plan für die Zeit nach der Pandemie entwickelt werde, dann werde es zu keinem Aufschwung kommen. Vor allem brauche es eine echte Unterstützung für die 140.000 Langzeitbeschäftigungslosen, die keine Chance am Arbeitsmarkt haben. Für den Wirtschaftseinbruch sei sicherlich nicht nur der Tourismussektor verantwortlich, der übrigens in Ländern wie Kroatien, Spanien oder Italien auch sehr stark ausgeprägt sei, gab Christoph Matznetter (SPÖ) zu bedenken. Er verstehe wirklich nicht, warum Kocher sich an diesen Ausreden der Regierung beteilige.

FPÖ: Die Regierung hat Österreich gegen die Wand gefahren und die Gesellschaft gespalten

Wenn Österreich wirklich so großartig bei den Unterstützungsmaßnahmen ist, dann frage sie sich, warum die Wirtschafts- und Arbeitslosendaten so schlecht ausfallen, führte Abgeordnete Dagmar Belakowitsch (FPÖ) ins Treffen. Es wurden zwar immer große Beträge versprochen, aber diese kommen offenbar bei vielen Betroffenen nicht an, wie zahlreiche Klagen von UnternehmerInnen belegen würden. Die Regierung habe das Land gegen die Wand gefahren, resümierte sie. Kritisch beurteilte Belakowitsch auch, dass die Regierung de facto Zwangstestungen eingeführt habe und all jenen Kindern somit den Schulbesuch verunmögliche, wenn sie sich dieser Vorgabe nicht unterziehen wollen oder können. Der Höhepunkt sei nun, dass Verfassungsministerin Edtstadler, die vor ihrem Regierungsamt stellvertretende Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft war, nun ihre eigene Behörde beschimpft, um Kurz einen Gefallen zu tun. Dabei habe sie sich in die WKStA „hineingeschummelt und keinen einzigen Tag gearbeitet“. In einer Phase, wo nichts funktioniere und die Wirtschaft im Argen liege, habe die ÖVP nichts Besseres zu tun, als die Justiz anzugreifen, schloss sich auch FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker der Kritik seiner Fraktionskollegin an. Nicht einmal der Bundespräsident, dem sonst zu allem und jedem was einfalle, nehme zum Brief von Bundeskanzler Kurz an die Staatsanwaltschaft Stellung.

NEOS vermissen zielgerichtete Maßnahmen und verurteilen Zurufe an die Justiz

Gerade in einer Krise wäre eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Opposition erforderlich gewesen, urteilte NEOS-Mandatar Josef Schellhorn, dies sei aber sehr oft nicht der Fall gewesen. Was die Effizienz der Corona-Maßnahmen anbelangt, so zeige sich an vielen Beispielen, dass nicht gezielt und punktuell geholfen wurde, sondern mit der Gießkanne. Außerdem warnte Schellhorn davor, dass es nach Auslaufen der Stundungen zu einer Insolvenzwelle kommen werde. Er forderte daher erneut nicht nur eine Reform des Insolvenzrechts, sondern auch Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals sowie die Einrichtung von Beteiligungsfonds. Eine gute und verlässlich funktionierende Justiz sei so etwas wie die Visitenkarte eines Rechtsstaats, unterstrich Johannes Margreiter (NEOS), der die „Zurufe des Bundeskanzlers“ für unzulässig hielt. Es müsse jeglicher Anschein einer parteipolitischen Einflussnahme vermieden werden. (Fortsetzung Nationalrat) sue


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